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Brennpunkt: Vereinsamung und soziale Isolation

von Hildegard Schottmüller

Mit einem Problem, das immer mehr Menschen betrifft, befassten sich die CDU Waldbronn in Kooperation mit der Kirchengemeinde Waldbronn-Karlsbad in einer gut besuchten „Brennpunkt“-Veranstaltung im Pfarrzentrum Ernst-Kneis in Waldbronn-Reichenbach. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU Waldbronn Dr. Jürgen Kußmann, gleichzeitig stellvertretender Sprecher des Gemeindeteams Reichenbach der Seelsorgeeinheit Waldbronn-Karlsbad, begrüßte als Impulsgeber, Organisator und Moderator die Referenten des Abends in Vertretung des in Urlaub weilenden Vorsitzenden Roland Bächlein.

Das Thema „Vereinsamung – soziale Isolation“ sei Schwerpunktthema 2022 in der Kommunalen Gesundheitskonferenz des Landkreises Karlsruhe, in der er als Facharzt und als stv. Vorsitzender der Kreisärzteschaft Karlsruhe mitwirke. Als Fachexperten zu dem aktuellen Thema begrüßte Moderator Kußmann den evang. Theologen, Philosophen und Soziologen Dr. phil. Hans-Arved Willberg, den Ersten Landesbeamten Knut Bühler, stellvertretender Landrat des Kreises Karlsruhe, den Vorstandsvorsitzenden des Caritasverbandes Ettlingen Robert Lemcke und die Vorsitzende des Service-Netzwerks Waldbronn Erika B. Anderer. Besonders freute sich Kußmann über die Anwesenheit von Bürgermeister Christian Stalf.

In seinem Statement stellte Hans-Arved Willberg die Problematik bildlich dar: „Das Vereinsamungsproblem in Deutschland gleicht einem Eisberg.“ Dessen Spitze seien ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung, bei denen es sich um eine „toxische Einsamkeit“ handle, die krank macht, weil die Betroffenen mit ihrer Einsamkeit nicht zurechtkommen. Er stellte die Formen der sozialen und emotionalen Isolation dar und machte deutlich, dass unter Vereinsamung nicht nur alte Menschen leiden, sondern durch die Pandemie erst recht jüngere Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Bei ihnen sei das Vereinsamungsproblem paradox, weil es durch den inkompetenten Gebrauch der Bildschirmmedien bedingt sei. In deren ganz großer Chance als Kontaktmedien liege auch der ganz große Fluch. Für die Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhalts komme es entscheidend darauf an, ob die sozialen Medien als Mittler dienen für echte, tragfähige Beziehungen, die Vereinsamung überwinden. Auch sei es wichtig, die Generationen wieder zueinander zu bringen. Als Beispiel dafür erwähnte er den Bau von Mehrgenerationenhäusern.

Der stv. Landrat Knut Bühler spannte einen Bogen über die klassische Rolle des Gesundheitsamtes zur präventiven Gesundheitsvorsorge und die Aufgaben des Landkreises als Sozial- und Jugendhilfeträger. Nach den Auswirkungen der Pandemie habe die Kommunale Gesundheitskonferenz des Landkreises Karlsruhe die Einsamkeit in den Fokus gestellt. Im Landkreis Karlsruhe mit rund 450.000 Einwohnern spreche man von 40.000 bis 80.000 betroffenen Menschen. „Wir sind überzeugt, dass wir auf der kommunalen Ebene etwas gegen die Problematik unternehmen können“, sagte Bühler. Allerdings könne die öffentliche Hand das nicht alleine lösen. Damit die Menschen gesund leben können, gehöre der soziale Kontakt dazu. Deshalb müsse dieses gesellschaftliche Problem auf gesellschaftlicher Ebene in Angriff genommen werden. Vonseiten der Gesundheitskonferenz arbeite man an einem Modellprojekt und wolle Rahmenbedingungen schaffen, damit sich professionelle und ehrenamtliche Akteure vernetzen, um bessere Handlungsoptionen zu bekommen. Die eigentliche Ebene der Aktion sei aber die Kommune, vom Ehrenamt über nachbarschaftliche Unterstützung im Quartier bis hin zu Bauprojekten.

VorstandsvorsitzenderLemcke referierte aus Sicht der Caritas Ettlingen und stellte deren Angebot vor. Die psychologische Beratung verzeichne inzwischen einen um 50 % höheren Bedarf. Ursachen sei die Corona-Pandemie, aber auch der Ukraine-Krieg, Sucht- und Spielverhalten, Angstgefühle und Zukunftssorgen. Durch Beratung und Unterstützung, enge Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde und mit ehrenamtlich Engagierten wolle man auch bei der Vereinsamung und sozialen Isolation helfen.

Für eine bereits bestehende Einrichtung in Waldbronn sprach deren Vorsitzende Erika B. Anderer. Sie stellte das 2007 als gemeinnütziger Verein gegründete Service-Netzwerk Waldbronn vor, das Beratung und Hilfe für Menschen bietet, die im Alter zu Hause leben wollen und dafür Service und Betreuung benötigen. Sie berichtete über zahlreiche Kontakte zu Senioren, bei denen Haushaltshilfen, Handwerkerleistungen, Gesundheitsdienste, Noteinsätze, Einkaufs- und Botendienste vermittelt werden. Dieses Waldbronner Modell sei einmalig und zukunftsweisend, weil es den Menschen die Sicherheit gebe, dass sie Hilfen erhalten, wenn dies gewünscht werde.

Zu der von den vier Referenten aufgeworfenen Situation nahm Bürgermeister Christian Stalf aus kommunaler Sicht kurz und prägnant Stellung. Er finde gut, dass das Thema „soziale Isolation“ öffentlich gemacht werde, denn es betreffe alle Generationen und führe zum gesellschaftlichen Verlust, wenn Menschen in Isolation bleiben. Dabei sei die Gemeinde gefordert, nach dem Subsidaritätsprinzip unterstützend einzugreifen. „Die Gemeinde soll alles richten. Das kann ein einzelnes Amt nicht. Dazu sind alle Menschen gefordert.“, betonte Stalf, der gleichzeitig anerkannte, dass in Waldbronn schon viele Einrichtungen sich des gesellschaftlichen Miteinanders annehmen. Für das kommunalpolitische Handeln erachtet er es als wichtig, den Bereich Soziales in der Gemeindeverwaltung zu stärken, damit professionelle Projekte und Netzwerke sowie ehrenamtliche Leistungen koordiniert werden können. Er kündigte an, mit dem Gemeinderat über diesen Komplex zu sprechen, rief aber gleichzeitig alle dazu auf, achtsam zu sein und Menschen anzusprechen, die in Isolation leben, denn „wir alle müssen es als Aufgaben begreifen“.

In der Diskussion und in der zusammenfassenden Betrachtung der Referenten wurde deutlich, dass in man sorgsam, wachsam und präventiv „wie eine Spinne im Netz“ zwischen Landkreis, Gemeinde und Ehrenamt an der Bewältigung der Problemlage arbeiten müsse. „Wenn nicht jetzt, wann dann“, war der abschließende Tenor bei diesem Brennpunkt, der den Weg öffnen soll für ein gemeinsames Vorgehen gegen das Vereinsamungsproblem und für ein menschliches gesellschaftliches Miteinander.

CDU Gemeindeverband Waldbronn